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KEIN VERGESSEN.

TODESOPFER RECHTER GEWALT IN M-V

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Rechte Gewalt

Nur ein Bruchteil rechter Gewalttaten wird öffentlich bekannt. Das so entstehende Dunkelfeld erschwert bis heute die politische Auseinandersetzung mit den Taten und ihren Folgen. Betroffene können oder wollen nicht darüber sprechen, was sie erleben mussten. Sie behalten die oft traumatisierenden Erlebnisse für sich oder öffnen sich nur gegenüber wenigen vertrauten Menschen. Vor allem aber gibt es bis heute große Defizite rechte Gewalt zu erfassen und richtig zu bewerten. Viele der hier dargestellten Fälle zeigen, dass neben den Tätern und ihren eigenen Aussagen, an etlichen Stellen selbst eindeutige Hinweise auf das Tatmotiv wie der gesellschaftliche Status der Opfer oder auch die Umstände der Tatbegehung keine Beachtung fanden oder aus dem Blick geraten können. Viele dieser Lücken lassen sich heute nicht mehr schließen. Ein Verständnis von der Spezifik rechter Gewalt und ihrer elementaren Funktionen für rechte Strukturen und ihre Sympathisant:innen ist jedoch von zentraler Bedeutung.

Was ist rechte Gewalt?

Eine weit verbreitete Auffassung ist, dass rechte Gewalt mit Gewalt von Rechten gleichzusetzen wäre – also ausschließlich durch Neonazis oder andere organisierte rechte Akteur:innen verübt würde. Allerdings ist die politische Selbstverortung der Täter, die sich beispielsweise in Äußerungen während oder nach Taten ablesen lässt, nur ein Baustein für die Bewertung. Die ideologischen Grundlagen hinter rechts motivierten Angriffen sind mitunter nicht so leicht erkennbar, wie es das bis heute reproduzierte Bild des Springerstiefel tragenden Naziskinheads immer wieder anzudeuten versucht. Doch die Erwartung klar erkennbarer Täter:innen und Tatmotive trübt den Blick: „Die Haare sind kurz, aber nicht geschoren. Einen rechtsradikalen Hintergrund für die Tat gebe es nicht”, zitierte die Schweriner Volkszeitung nach dem Tod Toni Beustiers im Jahr 2000 bezüglich der Täter die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft – die Tür für eine Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Gewalt „aus Langeweile“ war damit zugeschlagen.

Zu den ideologischen Wurzeln rechter Gewalt in Deutschland gehören auch heute noch Ungleichwertigkeitsvorstellungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch des deutschen Kolonialismus. In diesen Zeiten geprägte Vorurteile und Feindbilder haben die politischen Systeme überdauert und sind gesellschaftlich weiter verbreitet, als dass sie sich ausschließlich einer organisierten rechten Szene zuordnen lassen.
Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus oder LGBTIQ+-Feindlichkeit und anderen rechten Ideologien liegt eine Kategorisierung von Menschen zugrunde, die auf Zuschreibungen beruht. Diese münden letztlich in Abwertung und dem Absprechen der gleichen Rechte – bis hin zu den universell gültigen Menschenrechten.
Gewalt wird so mit einer klaren „Feindbestimmung“ gerechtfertigt, der sich verschiedenste Täter:innen bedienen. Diese müssen demzufolge nicht zwangsläufig organisierte Neonazis oder andere Personen sein, die sich sofort dem rechten Spektrum zuordnen lassen oder sich gar selbst als beispielsweise rassistisch oder antisemitisch bezeichnen. Es muss kein politisches Programm oder ein bestimmter Grad ideologischer Festigung hinter Täter:in und Tat stecken.
Spätestens seit der rassistischen Mobilisierungswelle zur Zeit von „PEGIDA“ und regionalen Ablegern oder Nachahmer:innen ist in einem neuen Ausmaß deutlich geworden, dass auch außerhalb der organisierten Szene ein Bedrohungs- und Gewaltpotenzial mobilisierbar ist, das weit über klassische politische Gruppierungen hinaus reicht. Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen haben dies abermals unterstrichen.

Spezifik rechter Gewalt

Es gibt verschiedene wissenschaftliche Versuche und Modelle, rechte Einstellungen unabhängig von strukturellen Zuordnungen zu erfassen und rechte Weltbilder abzugrenzen – das wohl am breitesten akzeptierte Konzept ist das sogenannte Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF), das von Sozialwissenschaftler:innen an der Uni Bielefeld entwickelt wurde. Es unterscheidet diskriminierendes und ausgrenzendes Verhalten und Gewalt aufgrund individueller Motive von jenem Handeln, das auf menschenfeindlichen Vorstellungen basiert. Denn eben diese werden nur wegen einer angenommenen oder tatsächlichen Gruppenzugehörigkeit der Betroffenen auf sie übertragen.
Somit resultiert rechte Gewalt nicht aus einem persönlichen Verhältnis zwischen Täter:innen und Angegriffenen, sondern wird wegen (vermeintlicher) Merkmale, Zuschreibungen und Abwertungen verübt. Die Betroffenen haben in der Regel keine Beziehung zu den Angreifer:innen, sondern repräsentieren für diese vielmehr eine Gruppe.
Diese Konstruktionen und die beabsichtigte Botschaft, die aus rechten Gewalttaten sprechen soll, sind eines der wichtigsten Merkmale rechter Gewalt. Sie adressieren nicht nur die unmittelbar Angegriffenen, sondern auch alle anderen Menschen, die der gleichen Gruppe oder Community zugeordnet werden. Ihnen wird durch die Angriffe vermittelt, dass sie genauso gemeint sind oder jederzeit damit rechnen müssen, ebenfalls angegriffen zu werden. Ein Leben in Sicherheit wird damit für ganze Kollektive in Frage gestellt.
Betroffen sind Geflüchtete, Migrant:innen, jüdische Menschen, Schwarze Menschen, People of Colour, linke und alternative Jugendliche, muslimische Menschen, Sint:ezza und Rom:nja, politische Gegner:innen, Menschen mit Beeinträchtigungen, Lesben und Schwule, Trans- und Inter-Personen, queere Menschen, Wohnungslose, Suchtkranke und alle anderen Menschen, die nicht ins Weltbild der Täter:innen passen.

Mit der Erwartung, rechte Gewalttäter:innen müssten einer organisierten Szene angehören, geht auch die Annahme einher, dass die Angriffe stets planvoll und zielgerichtet sind. Vielmehr ist jedoch häufig von „Vorsatz bei Gelegenheit“ zu sprechen. So schließt die hin und wieder getroffene Schlussfolgerung, die Betroffenen wären „nur zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen, ein rechtes Tatmotiv absolut nicht aus.
Auch existiert darin kein Widerspruch zu geplanten und zielgerichteten oder gar rechtsterroristischen Angriffen. Beide Angriffsmodi – planvoll wie spontan – haben ihre Funktion und finden sich auch unter den auf dieser Seite vorgestellten Fällen. Das Spektrum reicht von reinen Zufallsbegegnungen, wie im Falle von Horst Meyer, über die gezielte Suche nach einem beliebigen Opfer, wie im Falle von Horst Genz, wo sich die Täter zum „Assis klatschen“ verabredeten, bis hin zu der terroristisch geplanten Hinrichtung Mehmet Turguts.
Die Täter:innen sehen sich unabhängig davon nicht selten als Vollstrecker:innen eines vermeintlichen Volkswillens und legitimieren damit ihre Gewalt. Oder im O-Ton eines rechten Jugendlichen nach einem brutalen Angriff auf einem Zeltplatz in Plau am See im Jahr 1997: »Wir Glatzen machen nur das, was andere auch wollen, sich aber nicht trauen.« Dieses Denken und Handeln hat immer eine potentiell tödliche Komponente, rechte Ideologien beinhalten immer auch Vernichtungsfantasien. Nicht zuletzt deshalb wirken rechte Motive stets tateskalierend. Mohamed Belhadj ist offiziell nicht als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Vermutlich, weil die Täter:innen in ihren Schilderungen ihre rassistischen Einstellungen nicht in den Vordergrund gerückt haben und augenscheinlich nicht den typischen Täter:innen entsprachen. Doch die Aussage eines der Täter, mit der er die anderen nach der Tat zu beruhigen versuchte – „War doch nur ein scheiß Ausländer“ – veranschaulicht diese hintergründige doch gleichermaßen eskalierende Menschenfeindlichkeit.

Gewalt – Identifikation, Strategie, Alltag

Die Konstruktion von Feindbildern geht mit dem Umdeklarieren rechter Aggression als Verteidigung einher und macht Gewalt zum zentralen Bestandteil rechter Ideologie. An Stelle einer – wie auch immer – solidarischen Gesellschaft steht eine „natürliche Auslese“, anstelle gleicher Rechte das Recht des Stärkeren, um der „Auslese“ nachzuhelfen.
Als sprachliches und auf die Gesellschaft bezogenes Bild spricht die organisierte Rechte vom „Volkskörper“, der gegen „Eindringlinge“ und andere Bedrohungen verteidigt werden müsse.

In rechten Wehrsportgruppen oder heutigen Kampfsport-Trainingsgruppen wird dieses Denken manifest. Zu dem künstlichen Kollektiv eines „Volkskörpers“ kommt eine individuelle Fixierung auf Körperlichkeit und Männlichkeit, die eng mit der Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung von Interessen und zur Lösung von Konflikten verknüpft ist. So ist deren Erlernen und Anwenden in Verbindung mit dem kollektiven Selbstverteidigungsnarrativ ein identitätsstiftendes Moment rechter Zusammenhänge, die der langjährige Neonaziführer Michael Kühnen einmal so beschrieb: „Der Kampf ist unser Lebensinhalt. Es ist gesund und natürlich, Freude am Kampf und an der männlichen Bewährung zu empfinden. (…) In dieser Welt hat sich stets nur etwas durch die Tat geändert, nie durch prahlerische Redensarten! Nichts ist wirklich, solange es sich nicht im Kampf bewährt hat, dort geadelt und bestätigt wurde. Der Kampf, das Ringen der Gewalten – das ist die Auslese der Besten, der Würdigen. Hier finden sich die Menschen, die Geschichte machen, hier fallen die Entscheidungen.“

In einem Papier der NPD von 1997 wurde der „Kampf um die Straße“ neben dem „Kampf und die Köpfe“ und die Parlamente als eine von drei strategischen Säulen benannt. Rechte Gewalt zur Durchsetzung von Hegemonialräumen war zu dieser Zeit auch in Mecklenburg-Vorpommern vielerorts schon längst alltäglich geworden. Eine immer selbstbewusster auftretende Szene schaffte ein Klima der Angst für alle vermeintlichen Gegner:innen und oft auch eine gesellschaftliche Atmosphäre, in der Gewalttäter:innen mit Rückhalt rechnen konnten. So entfaltete die organisierte Neonaziszene Wirkung weit über ihren personellen Kern oder Sympathisant:innenkreis hinaus. Die Allgegenwärtigkeit rechter Gewalt sorgte auch dafür, dass viele vermeintlich unpolitische Mitläufer:innen sich ihrer gewaltförmigen Umwelt anpassten. Nicht-Rechts zu sein war ein Risiko und im Zweifel damit verbunden angegriffen zu werden.

Engagierte aus der Uckermark im Land Brandenburg beschreiben die Zeit für das Projekt „Gegen uns“ wie folgt: „Im Prinzip muss man sich das Anfang der 90er Jahre wirklich als eine relativ schnelle und sofort gewalttätige Form von Angriffen vorstellen. Da reicht es, lange Haare zu haben, da reicht es, andere Klamotten anzuhaben. Da reicht es, sich in der Öffentlichkeit anders zu verhalten.“ Und: „Man hat ja schon so ein bisschen gewusst, dass, wenn man sich outet, dass man gegen Nazis ist, dann hat man schon so ein bisschen sein Leben riskiert.“12021 – gegenuns.de – Baseballschlägerjahre in der Uckermark
Freiräume, die durch den Rückzug staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Strukturen entstanden, besetzte die rechte Szene und versuchte, nicht nur Deutungsmacht, sondern auch Sanktionsmacht zu werden. In einem rechten Aufsatz aus dem Jahr 1991 wurde das Konzept zur Errichtung „National Befreiter Zonen“ vorgestellt, in dem das strategische Moment besonders eindrücklich beschrieben wurde – es verlangte den Aufbau kontinuierlicher, vor Ort verankerter, rechter Strukturen. Strukturen, die ein Klima der Angst schaffen und aufrechterhalten und die Ideologien hinter den Gewalttaten kontinuierlich agitieren.
„Wir müssen Freiräume schaffen, in denen wir faktisch die Macht ausüben, in denen wir sanktionsfähig sind, d. h. wir bestrafen Abweichler und Feinde.“21991 – Vorderste Front. – Revolutionärer Weg konkret: Schafft befreite Zonen!
Ein zielgerichtetes Monitoring des Angriffsgeschehens in M-V gibt es erst mit Existieren einer Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt ab 2001. Doch die Praxis dieser Strategien ist dennoch auch davor durch eine Vielzahl äußerst brutaler rechter Angriffen dokumentiert, bei denen es in vielen Fällen nur Glück oder Zufall war, dass die Betroffenen die Attacken überlebten. Der wohl ersten Kameradschaft Mecklenburg-Vorpommerns, den „Greifswalder Nationalsozialisten“ (GNS), wurde schon im Jahr 1991 ein schwerer Brandanschlag zugeschrieben. Ihr Kopf, Maik S., musste sich wegen Anstiftung zur Tat vor Gericht verantworten. Doch schon im Jahr darauf versuchte er mit Gleichgesinnten, einen marokkanischen Studenten totzuschlagen. In Eggesin gab es 1999 einen besonders brutalen Angriff, als auf einem Volksfest fünf Jugendliche aus der rechten Szene zwei Männer aus Vietnam mit Stahlkappenschuhen durch Tritte fast töteten. Sie zählten sich zur Kameradschaft „Arischer Widerstand Eggesin“. Einer der Täter, Henry S., war später Gemeindevertreter für die NPD. An vielen Orten Mecklenburg-Vorpommerns gab es diese Vorfälle, die bis heute nachwirken.
Darüber hinaus galten vier Neonazis aus Grevesmühlen für den bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag im Januar 1996 in der Lübecker Hafenstraße als tatverdächtig. Zehn Menschen starben in Rauch und Flammen – die Verdächtigen wurden mit Brandspuren in ihren Gesichtern am Tatort festgenommen, doch nur einen Tag später wieder freigelassen. Die Ermittlungen stehen bis heute in der Kritik.
Diese Jahre rechter Gewaltexzesse (vor allem) in Ostdeutschland in den 1990ern und frühen 2000ern werden mittlerweile als Baseballschlägerjahre bezeichnet. Der Begriff umreißt ein Hegemonialbestreben rechter Gruppen, die mit brutalster Gewalt Angsträume für ihre politischen Gegner:innen und alle anderen, die jederzeit mit Angriffen rechnen mussten, schaffen wollten. So entstand ein extrem und unvermittelt brutales Klimas, in dem es Neonazis nicht mehr zwangsläufig als unmittelbare Täter:innen brauchte, sondern lediglich als Stichwortgeber:innen. Oft spielte es auch nur noch eine untergeordnete Rolle, ob Motive sich in explizitem Sozialdarwinismus und Rassismus äußerten oder gar durch eine Mitgliedschaft bei der NPD oder anderen Neonazi-Organisationen belegt wurden. Die permanente Drohkulisse setzte einen Prozess des „nach unten Tretens“ in Gang und schaffte die beschriebenen Räume eines Rechts des Stärkeren. Aussagen der Täter:innen im Nachgang wie „Lust am Schlagen“ im Fall von Olaf Jeschke oder „Frust und Langeweile“, wie bei Toni Beustier, verlieren in diesem Kontext ihre vermeintliche politische Unschuld.
Nach dem Tod Dragomir Christinels im März 1992 konstatierten Antifaschist:innen „Es scheint offensichtlich, daß Jugendliche mit vorhandener Gewaltbereitschaft durch öffentliche Reden etablierter Politiker und die Medien zumindest legitimiert, wenn nicht aufgefordert werden, gegen Flüchtlinge und andere auszugrenzende Personen gewalttätig vorzugehen. […] Denn die zunehmende Gewaltbereitschaft »normaler« Jugendlicher ist keine unerklärliche Entwicklung ohne gesellschaftliche Ursachen. Vielleicht haben die Täter aus Saal den Mord nicht geplant, offen ist auch, ob organisierte Neonazis eine Rolle spielten, aber offensichtlich gibt es eine zunehmende Bereitschaft zu solchen Aktionen, eine Bereitschaft, die mögliche Todesfälle in Kauf nimmt.“31992 – Antifaschistisches Infoblatt – Aufforderung zu rassistischen Überfällen?

So zieht sich eine regelrechte Habitualisierung von Gewalt auch fernab organisierter rechter Strukturen wie ein roter Faden durch die Zeit und die Realität der jungen Täter:innen hinter den tödlichen Attacken, die diese Seite vorstellt.
Die Forscher:innen der Technischen Universität Berlin, die mit der Untersuchung potentiell rechter Tötungsdelikte nach 1990 in Berlin beauftragt wurden, betonten, dass sich die bekannten Motive „nicht [immer] als unmittelbar tatauslösend rekonstruieren lassen“. Sie führen weiter aus, dass die Gewalttäter:innen „die Kommunikation von Feindbildern und die Praxis von Gewalttätigkeit als normalen Verhaltensstandard internalisiert haben. Zu ihrem eingespielten und insofern unreflektierten Vorstellungs- und Verhaltensrepertoire gehören die hierarchische Ordnung von Bevölkerungsgruppen und die Legitimität der Abwertung und Verachtung von Gruppen oder Einzelnen. Gewalttätigkeiten […] sind fester Bestandteil ihrer sozialen Interaktionen; es gilt als „normal“ und insofern als legitim, Spannungen, Konflikte und Interessendifferenzen aller Art gewaltförmig abzureagieren und auszutragen.“42018 – Feldmann, Kohlstruck et al – Klassifikation politisch rechter Tötungsdelikte – Berlin 1990 bis 2008

Musik und Gewalt

Rechtsrock spielt seit Beginn der 90er Jahre eine zentrale Rolle in der rechten Szene und erfüllt zahlreiche Funktionen, nach innen wie nach außen. Das Netzwerk um die Organisation von Konzerten, das Spielen in Bands dient der Stärkung der Gruppenidentität mit Events zur Nachwuchsgewinnung, und ist bis heute ein eigener, wirtschaftlich relevanter Geschäftszweig. Die Organisation der Auftritte erfolgt häufig klandestin, ohne von staatlichen Institutionen oder politischen Gegner:innen behelligt zu werden – auch dies stärkt den Zusammenhalt und schafft eine eigene Erlebniswelt.
Gleichzeitig dient die Musik bis heute als leichter Einstieg für Sympathisant:innen und als Propagandamittel. In den Texten kann sich die ganze Bandbreite an Hass entfalten und durch eigene Distributionsnetze in die Kinder- und Jugendzimmer transportiert werden. So ist Rechtsrock bis heute eine der wichtigsten Schnittstellen der organisierten Szene mit rechtsoffenen Jugendlichen.
Dabei spielt die explizite Aufforderung zur Gewalt in den Texten und die Vermittlung eines Weltbildes das entsprechende Taten nicht nur legitimiert, sondern oft regelrecht glorifiziert, eine ganz wichtige Rolle. Naziskins zogen nach Konzerten durch die Straßen auf der Suche nach Opfer. So entstand schon in den frühen 90er Jahren die Begleitmusik zu Hetzjagden und Stiefeltritten.

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