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KEIN VERGESSEN.

TODESOPFER RECHTER GEWALT IN M-V

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Norbert Plath

gestorben am 24.07.2000
in Ahlbeck

Norbert Plath lebte auf der Straße und wollte den Sommer in seiner Geburtsstadt Ahlbeck verbringen. Am 24. Juli 2000 errichtete er hinter der Kirche sein Nachtlager. Als er bereits schlief, wurde er von einer Gruppe junger Neonazis aus sozialdarwinistischen Motiven angegriffen und verletzt zurückgelassen. Wenig später kehrten die Angreifer zurück und töteten den 51-Jährigen.

Norbert Plath lebte zuletzt im hessischen Hanau, doch das Seebad Ahlbeck war einst sein zu Hause, das er regelmäßig im Sommer wieder besuchte. Sein Elternhaus im Kieferngrund befand sich nur drei Minuten entfernt von der kleinen Ahlbecker Kirche, hinter der sein Leben brutal beendet wurde.
Norbert Plaths Vater war zu DDR-Zeiten Leiter eines großen Urlauberheimes, die Familie genoss Ansehen – Norbert Plaths Jugendfreunde beschreiben sie als intellektuell.
Zur Schule ging Norbert Plath in der Lindenstraße, wo er wenig auffiel und als still galt. Eine besondere Begabung hatte er jedoch im Fach Kunst – sein Lehrer erinnert sich noch viele Jahre später in einem Interview an seinen einstigen Schüler.
Spätestens als Norbert Plath zur Jugendweihe im Jahr 1963 ein Kofferradio geschenkt bekam, wurde die Musik seine zweite große Leidenschaft. Wie viele Jugendliche seinerzeit sehnte er sich nach einem Leben als Rock ‘n’ Roller und verarbeitete Themen wie Liebeskummer in Songtexten.

Ich hab’ Kummer oh
Ich hab’ Sorgen oh
Denkst du noch an mich
Und ich steh am Fenster
Und der Himmel weint
Der graue Himmel weint
Ich hab’ Kummer, oh
Ich hab’ Sorgen oh
Keine Sonne scheint
Und ich gehe durch die Straßen
Geh zu deinem Haus
Ich Geh zu deinem Haus

Norbert Plath

Für die Teilnahme in der Band habe es jedoch nicht gereicht, wie sich ein ehemaliger Bekannter erinnert. Es passte irgendwie nicht.

Mit 16 machte Norbert Plath seinen Schulabschluss der 10. Klasse. Darin wurden ihm »Mängel in der Einstellung zu den Forderungen der Schule und der Gesellschaft« bescheinigt. Dennoch begann er im Anschluss eine Konditorlehre im nahegelegenen Wolgast. Ehemalige Mitschüler beschreiben ihn auch hier als unauffällig und zurückhaltend – »kein Wilder« sei er gewesen.

Vielleicht geriet er durch seine Unauffälligkeit ins Visier der Staatssicherheit, die ihn 1967 als »Inoffiziellen Mitarbeiter« (IM) anwarb. Doch der Spitzel Norbert Plath, der sich selbst den Decknamen »Beethoven« gab, erfüllte seine Aufgabe nicht zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber. Der Führungsoffizier der Stasi zeigte sich enttäuscht – Beethoven berichtete kaum und belastete seine Kolleg:innen nicht. Diese Kapitel endete laut den Akten 1970, eine weitere Zusammenarbeit lehnte Norbert Plath ab.
Nach der Lehre verließ er die Insel und zog nach Hoyerswerda. Er hatte dort eine Freundin und lebte mit ihr in der Nähe des Bahnhofs. Noch während Norbert Plath bei der Armee war, bekam das Paar ein Kind und heiratete. Der junge Vater trank häufiger Alkohol, was auch den Behörden auffiel.
Der sogenannte »Asozialenparagraph« 249 im Strafgesetzbuch der DDR nahm alkoholkranke und anders von der vermeintlichen Norm abweichende Menschen ins Visier. Er gab dem Staat eine Vielzahl von Möglichkeiten, die betroffenen Bürger:innen zu drangsalieren und beispielsweise wegen Bagatelldelikten in Haft zu nehmen.

§ 249 StGB der DDR - »Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten«
Auf dem Gebiet der damaligen DDR galt ab 1968 ein Strafgesetzbuch, in dem mit dem Paragraph 249 »Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten« die Tradition eugenisch begründeter nationalsozialistischer Ausgrenzung und Verfolgung von obdach-, wohnungslosen oder Suchtkranken Menschen fortgeschrieben wurde. Auch wenn dabei, anders als im Nationalsozialismus, die Ziele Kontrolle und Anpassung mittels Zwang und nicht Vernichtung waren, hießt es: »Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, daß er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist, oder wer der Prostitution nachgeht oder wer sich auf ändere unlautere Weise Mittel zum Unterhalt verschafft, wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Zusätzlich kann auf Aufenthaltsbeschränkung und auf staatliche Kontroll- und Erziehungsaufsicht erkannt werden.«*§249 Abs.1 StGB-DDR i.d.F.v. 1.6.1969
In der DDR wurde diese Gesetzgebung damit begründet, dass »Asozialität« als Isolation von der sozialistischen Gesellschaft diese direkt gefährde. Von 1969 bis zum Zerfall der DDR wurden nach diesem Paragraphen (und seiner geänderten Fassung ab 1977) 160.142 Fälle verfolgt. Jährlich waren das mehr als doppelt so viele Fälle, wie bei dem berüchtigten §213, der die Verfolgung von »Republikflucht« begründete. Auch in der Gesamtheit der verfolgten Straftaten kam dem §249 eine hohe Stellung zu: mehr als jedes zehnte Delikt wurde auf seiner Grundlage verfolgt, 1989 waren in der DDR ein Viertel der Inhaftierten nach ihm verurteilt. Diese Verteilungen weist auf die Priorität hin, die der Verfolgung von angeblich »Asozialen« durch das Regime der DDR beigemessen wurde.
Die starke »Verrechtlichung« des Umgangs mit den nicht angepassten Lebensweisen der politisch als »Asozial« Diffamierten hatte neben ihrer ordnungspolitischen natürlich auch eine gesellschaftliche Dimension. Die Ausgrenzung „arbeitsscheuer Parasiten», die sich am sozialistischen Gesamtvermögen auf Kosten der Gemeinschaft bereichern wollen, war ein tief verankertes Narrativ in der Bevölkerung der DDR und setzte sich auch über ihren Zerfall hinaus fort. Mehr dazu auch hier.

Bei Norbert Plath war es mal ein geklautes Fahrrad, mal sogenannte Arbeitsbummelei und immer wieder Schnaps, wodurch er den Behörden auffiel. So verbrachte er durch drei Haftstrafen fast sechs Jahre seines Lebens im Gefängnis. Die Ehe zerbrach letztendlich daran und er zog allein nach »Klein Berlin«, einer Siedlung am südlichen Stadtrand von Hoyerswerda, wo er und andere buchstäblich an den Rand Gedrängte in heruntergekommenen Baracken lebten.

1979 war Norbert Plath gerade in Haft, als anlässlich des 30. Jahrestags der DDR eine Amnestie erlassen wurde, durch die der 30-Jährige wieder auf freien Fuß kam. Nun wurde ihm in Holzdorf (Elster) im damaligen Bezirk Cottbus ein Arbeitsplatz in einer Großbäckerei zugewiesen.

In dem kleinen Ort war er den Leuten als »Jesus« bekannt, weil er durch seinen Rauschebart und seine langen Haare auffiel. Er heiratete noch einmal. Seine Frau brachte vier Kinder in die Ehe mit und gemeinsam bekamen sie zwei weitere. Es sah so aus, als fand Norbert Plath diesmal sein Glück – im eigenen, neu gebauten Haus und im eigenen Garten, dessen Entstehung er mit Fotos fürsorglich dokumentierte. Ein kleines Paradies.
Nach einiger Zeit wird ihm gestattet, den Beruf zu wechseln und er beginnt in einem Milchviehbetrieb zu arbeiten. Auch wenn Norbert Plath ein gutes Verhältnis zu seinen Kolleg:innen pflegte und seinem Vorgesetzten beispielsweise eigene Landschaftszeichnungen zum Geburtstag schenkte, blieb die Arbeit nicht konfliktfrei. Sein Alkoholkonsum verursachte immer wieder Probleme, weil er zu spät oder gar nicht zur Arbeit kam und die Versorgung der Tiere darunter litt.

Abhauen und Wiederkommen

Heimweh nach Ahlbeck soll Norbert Plath immer gehabt haben, doch genauso stark war sein Drang nach der weiten Welt. Ein bisschen näher kam er ihr über das Schach spielen. Er spielte mit Menschen auf der ganzen Welt, indem sie sich gegenseitig Spielzüge zusandten. Die Briefmarken sammelte er – sah er doch durch sie Teile der Welt, die ihm als DDR-Bürger sonst verborgen blieben.
Doch das reichte nicht. Ehemalige Freunde und Bekannte sagten, er lebte und liebte das Leben locker und wollte sich nicht an Vorschriften halten12001 – HR – Tödliche Begegnung. Das Leben des Norbert Plath. In der DDR durchaus ein größeres Problem. Norbert Plath fühlte sich beobachtet und drangsaliert.
1982 fasste er mit einem Freund aus einer Bierlaune heraus den Entschluss: Wir haben genug. Sie wollten in die eigentlich unerreichbaren USA. Über die grüne Grenze reisten sie in die Tschechoslowakei und trampten bis Prag – doch dort verließ sie der Mut. Für ihr Fehlen am Arbeitsplatz bekamen sie eine Residenzpflicht als Auflage. Für vier Tage Freiheit durften sie nun ihren Heimatbezirk nicht mehr verlassen.
Einige Jahre später fing Norbert Plath eine Arbeit als Gleisbauer an und durfte sich wieder im Land bewegen. Doch es war eine Knochenarbeit: »Wenn er gearbeitet hat, hat er wirklich gearbeitet, aber wenn er das Bier gerochen hat, war er weg«,erinnerte sich ein Kollege von damals schmunzelnd.
Die neue Freizügigkeit genoss Norbert Plath und blieb wiederholt einige Tage der Arbeit fern. So fuhr er beispielsweise mit seinem Malzeug und fünf Mark in der Tasche nach Prag und verdiente sich dort etwas Geld als Straßenkünstler. Wenn sein Geld dann wieder aufgebraucht war, war er für ein paar Wochen wieder regelmäßig auf der Arbeit.
Dieses Verhalten galt als aufsässig und war für gewöhnlich nicht geduldet, doch Ende der 1980er Jahre hatte die DDR offensichtlich schwerer wiegende Probleme als »Arbeitsbummelei«. Am 3. Oktober 1989 war Norbert Plath wieder in Prag – bei den sogenannten Botschaftsstürmern, die ihre Ausreise mit einem Sprung über den Zaun der bundesrepublikanischen Botschaft in der Tschechoslowakei vollzogen. Er ließ dafür – wie viele andere – Frau und Kinder zurück. Der Sog der Freiheit war größer.
Eine Woche später kam er in Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz an und fand schnell Arbeit als Konditor im Café Küpper. Seine damalige Chefin erinnerte sich später, dass Norbert Plath ihr etwas unheimlich war. Sein Äußeres empfand sie als ungepflegt. Doch er ging dem Meisterkonditor zur Hand, hatte Spaß an seinem Lehrberuf und war begeistert über die Vielfalt an Zutaten und Produkten, die er aus seiner Heimat nicht gewohnt war.
Aber alte Gewohnheiten hielten auch in diesem neuen Leben wieder Einzug. Norbert Plath verlor die Lust, kam zu spät, ließ sich entschuldigen. Doch seine Chefs waren geduldiger mit ihm. Als dann jedoch irgendwann seine Ehefrau mit den Kindern nachzog, kam er nicht mehr zur Arbeit.
Norbert Plath arbeitete gelegentlich und reiste durch das Land. Er besuchte Freunde und auch seine alten Kolleg:innen in Holzdorf. Denen schwärmte er von seinem Leben und seinem angeblich üppigen Gehalt im Westen vor.
Die Rastlosigkeit nahm jedoch wieder Überhand. Kurze Zeit später passte all der Besitz Norbert Plaths in einen Rucksack, mit dem er auf der Schulter durch die Republik reiste. Wohin es ihn überall zog, lässt sich kaum nachvollziehen. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe im friesländischen Varel erinnerte sich viele Jahre später, dass Norbert Plath für kurze Zeit auch in der niedersächsischen Stadt verweilte. Den Kontakt zu seiner Frau und den Kindern hielt er nicht mehr aufrecht.
Seit Mai 2000 lebte Norbert Plath im Franziskushaus in Hanau, einer Herberge für Menschen ohne Obdach. Das Leben auf der Straße wurde für den Mittlerweile 51-Jährigen zunehmend anstrengend. Seine letzten Bekannten aus der Unterkunft berichten, dass er ihnen von seinem Abrutschen erzählte, dass er den Verlust von Frau, Kindern und dem gemeinsamen Heim stets bedauert hat. Aber auch, dass er sich aufraffen und neu beginnen wollte.
Doch zunächst sollte es wieder nach Ahlbeck gehen. Norbert Plath sparte 200 Mark und machte sich am 22. Juli 2000 auf den Weg an die Ostsee. Im Gepäck seinen wichtigsten Begleiter, ein Kofferradio.

Die Tat

Am 23. Juli 2000 um 9:27 Uhr steigt er in seiner alten Heimat aus dem Zug. Der kleine Ort hat sich nach der sogenannten Wende verändert. Wie überall in den neuen Bundesländern grassiert Arbeitslosigkeit unter den Erwachsenen, Jugendliche haben wenig Aussichten auf eine Ausbildung – rechte Jugendkultur und die dazugehörige Gewalt dominieren vielerorts das Stadtbild. Doch Norbert Plath kennt Ahlbeck – den Ort seiner Kindheit und Jugend – noch immer, wie seine Westentasche. Der Mann mit dem langen, mittlerweile grauen Haar, den blaugrauen, schelmischen Augen und dem Vollbart kommt regelmäßig auf einen Kaffee und ein Brötchen in der Bäckerei vorbei. Er streift durch seine alten Straßen »ohne jemanden zu stören«, wie später einer der ermittelnden Polizeibeamten sagen wird und kommt für gewöhnlich abends bei einem alten Freund unter… für eine Dusche, ein Bierchen und eine Übernachtung. Doch sein Freund ist am Abend des 23. Juli unterwegs, zum Stammtisch – das Grundstück ist leer. Norbert Plath hätte zwar in die Garage gekonnt, doch er entscheidet sich anders und sucht sich gegen 20 Uhr langsam einen Schlafplatz, den er an der alten Kirche findet.
Im Obdachlosenhaus der Stadt Ahlbeck lebt im Sommer der 24-jährige Naziskin Gunnar D. Seine Eltern wollen ihn nicht mehr aufnehmen. Er muss ins Gefängnis, hat jedoch Haftaufschub bekommen, um eine Malerlehre zu beenden. Auf seinem Kopf und an den Händen trägt er seine Gesinnung unter die Haut gestochen – »White Power« und »Hass« stehen dort.
Mit zwei 15- beziehungsweise 16-jährigen Freunden zieht er durch Ahlbeck. Den Nachmittag verbringen sie im Jugendclub – dieser ist zwar eigentlich geschlossen, weil der Sozialarbeiter am Sonntag nicht da ist, doch Gunnar D. hat den Schlüssel. 1997 hat die Stadt der rechten Szene diesen Raum quasi übergeben. Integrieren statt ausgrenzen war das Postulat, nachdem die Neonaziszene über Jahre die Campingplätze der Insel Usedom mit brutalen Überfällen terrorisiert hat.

'Akzeptierende Jugendarbeit'
»Akzeptierende Jugendarbeit« ist ein Konzept der Sozialarbeit, das in den 1990er Jahren entwickelt wurde und rechte Jugendliche zu Ausgegrenzten erklärte, denen niedrigschwellige Angebote gemacht werden müssten. Dies stand jedoch in völligem Gegensatz zur Realität, in der junge Neonazis längst die Jugendkultur dominierten. Anstatt sie »aufzufangen« und »von der Straße zu holen«, wurden staatlich finanzierte Entfaltungsmöglichkeiten für eine rechte Subkultur geboten. Nationalsozialistische Ideologie war in vielen Jugendclubs Alltag und wurde von immer mehr Jugendlichen als scheinbar normal und selbstverständlich erlebt, während rechte Gewalt in den Medien weiterhin als »Jugendproblem« verklärt wurde.

Abend bekämpfen die jungen Neonazis ihre Langeweile mit Bier und ziehen umher. Sie kommen an der kleinen Ahlbecker Kirche, mitten im Ort, an und treffen dort auf andere Jungen und Mädchen. Als ein Mädchen zum Austreten hinter die Kirche geht, findet sie in einer Nische den schlafenden Norbert Plath. Sie kehrt zu ihrer Gruppe zurück und berichtet davon – die ungläubige Gruppe geht zu Norbert Plath, leuchtet ihn an und weckt ihn. Sie trinken gemeinsam Bier, Norbert Plath teilt seine letzten Dosen und die Jugendlichen begeben sich irgendwann wieder vor die Kirche. Dann geht plötzlich einer der Rechten wieder hinter die Kirche und berichtet anschließend, er habe dem Mann »ein Paar geknallt« – die anderen gehen nachschauen und stellen fest, dass Norbert Plath weint. Nun gehen schließlich Gunnar D. und seine zwei Freunde auf Norbert Plath los, schlagen brutal auf ihn ein und verletzen ihn schwer.
Norbert Plath soll noch gesagt haben »bitte lasst mich in Ruhe sterben«. Gunnar D. und sein 16-Jähriger Kumpel gehen in den Jugendclub und brüsten sich damit, dass sie »einen Assi geklatscht« haben und zeigen ihr Blut an den Schuhen. Ihr 15-jähriger Freund ist inzwischen nach Hause gegangen. Der 19-Jährige Sven S. ist auch im Jugendclub und ist begeistert, als er von dem brutalen Angriff hört. Gemeinsam geht er mit den beiden anderen Rechten nochmals zu Norbert Plath, wo sie weiter brutal auf ihn eintreten, bis dieser aufhört, sich zu wehren. Norbert Plath erliegt seinen schweren Verletzungen und wird am nächsten Morgen von einer Passantin gefunden – die Gerichtsmedizin spricht von einem qualvollen Tod.
Ermittlungen und Gerichtsprozess
Sven S. und der 15-Jährige Angreifer konnten nach drei Tagen von der Polizei ermittelt werden. Der 16-Jährige Mittäter stellte sich. Gunnar D. war zunächst auf der Flucht und konnte Mitte August 2000 in Sachsen-Anhalt festgenommen werden. Gemeinsam mit Sven S. gehörte er damals zum Kern der rechten Szene im Seebad Ahlbeck. Bei ihm zu Hause fanden die Ermittler den »Braunen Rundbrief für die Insel Usedom« ein Zine der Neonaziszene auf der Insel, die schon zu DDR-Zeiten als rechte Hochburg galt.
Die Festgenommenen sind weitgehend geständig und ohne jede Reue. Zwei von ihnen sagten, es wäre schade gewesen, dass sie keine Stahlkappenschuhe anhatten, als sie auf ihr Opfer eintraten. Obdachlose würden dem Steuerzahler auf der Tasche liegen und Ahlbeck müsse »sauber« sein.
Im Januar 2001 begann der Prozess gegen Sven S. und die beiden minderjährigen Täter vor dem Landgericht Stralsund. Das Verfahren gegen Gunnar D. wurde zuvor abgetrennt, da sein Verteidiger, der damals bekannte Neonazi-Anwalt Peter Stöckicht, beharrlich versuchte, auf Schuldunfähigkeit seines Mandanten zu plädieren.
Am Tatmotiv und der Abscheulichkeit der Tat bestand jedoch kein Zweifel. Anfang beziehungsweise Ende Februar fallen schon die Urteile. Für Gunnar D. stand am Ende eine lebenslange Gefängnisstrafe wegen Mordes.
Sven S., für den die Staatsanwaltschaft ebenfalls lebenslänglich gefordert hatte, wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Der 16-Jährige Mittäter bekam im Zusammenhang mit anderen Straftaten eine Einheitsjugendstrafe von acht Jahren, ebenfalls wegen Mordes. Der zur Tatzeit noch 15-Jährige, der zwischendurch nach Hause gegangen war, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Jugendarrest verurteilt.

Reaktionen

Norbert Plath wurde an der Seite seiner Großeltern in Ahlbeck beerdigt – namenlos.
Die Empörung über die Tat schien sich im Seebad in Grenzen zu halten. Die unmittelbaren Nachbarn des Tatorts wurden im Nachgang von der Berliner Zeitung befragt, ob sie nichts bemerkt hätten. Die Antworten waren relativ flapsig, man hätte »wie ein Murmeltier« geschlafen oder den Fernseher lauter gedreht, da es während der Saison nachts häufiger laut wäre.22000 – Berliner Zeitung – Keine stillen Tage am Meer
Die größte Erschütterung schien vor allem darüber zu herrschen, dass die Täter Ahlbecker waren.3Ebenda
Eine Gedenkveranstaltung für den getöteten Norbert Plath wurde am selben Tag ausgerichtet wie die 300-Jahr-Feier der Gemeinde. Man hätte die Feierlichkeiten so schnell nicht absagen können, aber man würde die Lautstärke reduzieren. Zu der Kundgebung fanden sich auch über 100 Menschen dazu ein, legten Blumen und Kränze ab und entzündeten Kerzen. Die örtliche Neonaziszene beobachtete die Veranstaltung am Rande. Am nächsten Tag waren die Blumengebinde allerdings schon wieder weggeräumt – um die Ecke, an den Tatort – abseits des touristischen Treibens.
Zwei der etwa drei Dutzend Jugendlichen des Jugendclubs unterzeichnen eine Verurteilung der Tat – auch wenn sie Obdachlose »nicht nötig« fänden. Vor allem ist das Schreiben jedoch eine Protestnote gegen die nach der Tat beschlossene Schließung des Clubs, dessen Konzept von nun an als gescheitert galt. Man hätte die Nazis gewissermaßen unter Kontrolle gehabt, aber keine alternativen »Denkmodelle« vermitteln können, hieß es. Tatsächlich hatte man Raum für rechte Anwerbung geschaffen.
In der Diskussion um perspektivlose Jugendliche wurde ein Kommentar in der Zeitung Die Welt sehr deutlich: »um es gleich zu sagen: soziale Probleme sind nicht das Motiv. Ihr Neonazismus ist nicht die Reaktion auf Arbeitslosigkeit und die Schlechtigkeit der Verhältnisse. Im Gegenteil: Die Verhältnisse meinten es ziemlich gut mit ihnen. Sie schenkten Gunnar D. den Haftaufschub. Sie gaben ihm die Lehrstelle. Sie besorgten ihm, als er selbst obdachlos wurde, ein preiswertes Zimmer in dem Haus, das Ahlbeck für seine wohnungslos gewordenen Bürger unterhält. Und sein Mittäter Sven S. macht eine Lehre bei der Usedomer Bäderbahn.«42000 – Die Welt – „Einen Strich ziehen“

Die Insel Usedom bleibt ein Schwerpunkt rechter Aktivitäten und Gewalt.

Norbert Plath ist als Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt. Vor Ort erinnern nur wenige Menschen an ihn – ein offizielles Gedenken oder eine Gedenkstätte gibt es nicht. Ein Denkmal setzten ihm Journalist:innen des hessischen Rundfunk, deren Dokumentation »Tödliche Begegnung – das Leben des Norbert Plath« ein liebevolles Erinnerungsstück an den Menschen Norbert Plath ist und die als Hauptquelle für den vorliegenden Text diente.

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